Rügen unter schwedischem Zepter
Bogislaw XIV. vereinigte 1625 nach dem schnellen Hinsterben
der letzten Zweige des pommerschen Herzogstammes die Regierung von ganz
Pommern und Rügen unter sich. Aber so vorteilhaft diese Einigung für
das ganze Land zu werden versprechen konnte, so verhängnisvoll wurde
die Zeit des letzten Pommernherzogs für Pommern und Rügen. Unter
ihm, dem letzten Spross des uralten Greifenstammes, dem man nichts als
seine unerschütterliche Treue gegen Kaiser und Reich und sein Vertrauen
auf kaiserliche Worte zum Vorwurf machen kann, wenn anders diese ein Vorwurf
sind, war Pommern und Rügen eine Zeit des Leidens beschieden, wie
sie selbst gebracht hatten. Nicht der gewaltige und gewaltätige Däne
Absalon, der grimmigste Feind Rügens, hat so schrecklich auf der Insel
gehaust, so vernichtend auf Kultur, Leben und Wohlstand derselben seine
Faust gelegt, wie die Feldherrn auch zuerst die "Blauvölker" herzlich
gern, kamen sie doch als Freunde und Beschützer und vor allem als
Soldaten des Kaisers. In Rügen lebten, wie ein Chronist sagt, die
neuen Gäste in vollem Vergnügen, und war im Anfange des Schmausens
kein Ende. Der Bauer, welcher die Blauvölker damals noch nicht kannte,
meinte, es müsste so sein, und trug kein Bedenken, alles was er hatte,
fröhlich aufzutischen. Aber dies schöne Verhältnis dauerte
nicht lange. Schon im November kamen Soldaten nach Stralsund hinüber,
um geraubte Sachen: Betten, Butter, Brot und zinnernes Gerät zu Gelde
zu machen, und auch schon waren Frauen und Mädchen vor der Brutalität
der zügellosen Scharen nicht mehr sicher; brachte man doch schon im
November einige vor Angst und Vergewaltigung wahnsinnig gewordene nach
Stralsund, die dort im Irrenhause ein elendes Ende fanden. Je mehr der
Bauer gab, desto mehr verlangte der Soldat; täglich drei Mahlzeiten
zu je drei Gerichten war das mindeste, und Bier soviel und so oft er begehrte.
Die Offiziere waren damit natürlich noch nicht zufrieden, und der
Herzog von Holstein hatte für sich und seinen Stab täglich
folgende bescheidene Forderung: einen halben Ochsen, 2 Schafe, 6 Hühner,
2 Gänse, 10 Pfd. Butter, 1 Kalb, ein halbes Schwein, 1½ Tonne
Bier, 4 Pfd. Lichte; außerdem wöchentlich: 36 Thaler für
Wein, Gewürz und Konfekt, 1 Scheffel Erbsen, eine halbe Tonne Essig,
1 Scheffel Hafergrütze, 20 Pfd. Stockfisch, 1 Achtel Hering, eine
halbe Tonne Salz. Solche Forderungen, wie sie nicht vereinzelt, sondern
mehrfach gemacht wurden, mussten natürlich die Vorräte bald erschöpfen;
und da eine geordnete Verpflegung der Truppen nicht eingerichtet wurde,
kam es zu Erpressungen und Gewaltauftritten der schlimmsten Art. Selbst
die Geistlichen wurden nicht verschont. Und wehe den Armen, die sich, um
den letzten Rest ihrer Habe zu schützen, zur Wehr setzten! So hatten
die Gingster ein über das andere Mal Plünderungen über sich
ergehen lassen müssen, endlich trieb sie die Verzweiflung zum äußersten.
Als wieder eine Bande Marodeure kam, zogen sie die Sturmglocke, thaten
sich zusammen und schlugen die "Mausebrüder" mit blutigen Köpfen
aus dem Orte hinaus. Aber das wurde ihnen arg "versalzen". Die Soldaten
holten sich Verstärkung, und jetzt erging über die Gingster ein
schreckliches Strafgericht. Was von den Einwohnern sich nicht in die Wälder
retten konnte, wurde erschlagen oder erschossen, die Häuser geplündert
und dann der ganze Ort eingeäschert. Am schlimmsten erging es dem
Prediger. Er fiel den Soldaten in die Hände, und da sie bei ihm Geld
vermuteten, schlugen sie ihn und bedrohten ihn mit Martern, wenn er ihnen
seine Schätze nicht herausgebe. Aber der arme Mann hatte selber nichts.
Da nahmen die Soldaten einen dicken Strick und drehten ihm den um Stirn
und Schläfen so fest zusammen, was sie wreudeln nannten, daß
ihm die Augen aus dem Kopfe traten. Ganz ebenso verlief in Trent ein Versuch
der Bewohner, sich zur Wehr zu setzen, nur wenige konnten sich nach Hiddensöe
hinüberretten. Auch Sagard und Garz wurden bei solchen Plündereien
ein Raub der Flammen. Selbst nach Hiddensöe kamen die Soldaten schließlich
und nisteten sich dort ein. Das Kloster wurde von ihnen zerstört,
und sie waren es, die den letzten Rest der Wälder auf der kleinen
Insel Hiddensöe und zur Feuerung verbrauchten. Unerträglich waren
schon im Anfang 1628 die Zustände geworden. Die rügensche Ritterschaft
wandte sich um Erleichterung an den Herzog. Sie schildert in ihrer Eingabe,
wie die Bauern ruiniert seien, und da sie Vieh und Korn nicht mehr hätten,
von den Soldaten schrecklich mißhandelt würden. Auch der Adel
habe nichts mehr. Hungersnot stände in sicherer Aussicht, da selbst
kein Saatkorn mehr vorhanden sei, und das wenige, was man noch mit vieler
Mühe gesägt habe, abgehütet, abgemäht, oder zertreten
sei. Vergebliches Bemühen! Wie hätte der Herzog, dem es selber
auf dem Festlande nicht besser ging, Abhülfe schaffen können,
bat und flehte er auch bei Wallenstein was kümmerten den der Notschrei
und das Gejammer der zertretenen Völker. Aber man bekam diesmal eine
Antwort auf den Notschrei, eine wallensteinsche! Als das heldenmütige
Stralsund dem Ingrimm des Gewaltigen getrotzt hatte, und eine dänische
Flotte jetzt um Rügen kreuzte, sandte Wallenstein im Juli 1628 eine
große Truppenanzahl zur Verstärkung der dortigen Besatzung nach
der Insel hinüber. Mehr als 15 000 Mann Soldaten standen jetzt auf
Rügen; diese mitsamt ihren Trotz sollte das ausgesogene Land jetzt
unterhalten! Es war unmöglich. Die Truppen selbst mußten schließlich
zugrunde gehen, und so entschloß sich denn Wallenstein, eine Anzahl
derselben fortzunehmen, nicht in Rücksicht auf die Not der Insel,
sondern weil die Dänen, die in Pommern nach anfangs glücklicher
Landung geschlagen waren, nach Hause segelten. aber es blieben immer noch
im Winter 1628 zu 1629 gegen 10 000 Mann auf Rügen, und so trat denn
endlich die unausbleibliche Katastrophe ein. Eine Hungersnot in der schrecklichsten
Form brach aus. Man suchte den knurrenden Hunger mit Knospen der Bäume,
mit dem Gras und Unkraut der Felder zu stillen. Fische waren ein nicht
mehr gekannter Leckerbissen, denn die Leute waren zu schwach, um auf den
Fischfang gehen zu können. Arme und Hände fraßen manche
sich ab, Kinder der verstorbenen Mutter die Brüste. Ein Bauer im Poseritzer
Kirchspiel wollte in seiner wilden Verzweiflung seinem Kinde den Hals abschneiden,
als es ihn um Brot bat. Gleichen Hunger litten die Soldaten. Sie rissen
den Leuten die jämmerliche Suppe vom Feuer, die diese sich aus Gras
und Baumrinde kochten, und um tote Katzen und Pferde schlug man sich selber
tot. Natürlich waren auch jetzt so ziemlich alle Bande der Zucht und
Ordnung gelockert. Diebstahl und Mord waren gang und gäbe, Häuser
und Kirchen wurden ausgeraubt und zerstört; keiner war seines Lebens
sicher. In der Grafschaft Putbus stürmten die Soldaten in ein Haus,
erschossen einer Mutter das säugende Kind an der Brust und verwundeten
sie selbst tötlich. Wurde auch in der Nähe der Obersten manchmal
ein oder der andere Marodeur standrechtlich erschossen, es nutzte nichts
für die ganze große Masse, die von Hunger und Raublust zu allen
Schandthaten getrieben wurde. Zu aller Hungersnot gesellten sich im Sommer
1629 dann die unter solchen Umständen unausbleiblichen Seuchen. Pest,
rote Ruhr und andere Krankheiten dezimierten die nicht mehr widerstandsfähige
Bevölkerung, ganze Familien starben aus, ganze Ortschaften wurden
entvölkert, die dann von den Soldaten geplündert und verbrannt,
später nie wieder entstanden sind. Endlich kam im Sommer 1629 Erleichterung.
Aber es war zu spät, das Elend hatte bereits den höchsten Grad
erreicht. Anfang Mai hatte Wallenstein mit Dänemark Frieden gemacht,
er brauchte jetzt keinen dänischen Angriff mehr auf Rügen zu
fürchten, und so nahm er die Truppen von der Insel weg, nicht wegen
des Elends der Bevölkerung, sondern aus militärischen Gründen.
Nur eine kleine Besatzung blieb in den Befestigungen bei Altefähr
und in der Prosnitzer oder Neufähr Schanze; aber auch diese Besatzung
brandschatzte die Bevölkerung noch unaufhörlich. Doch man konnte
wenigstens aufatmen und hoffen. Da sollten noch einmal, viel furchtbarer
als bisher, alle Greuel einer entfesselten Soldateska über das unglückliche
Rügen kommen. Dänemark hatte 1629 mit dem deutschen Reiche Frieden
geschlossen. Bald bildete sich zwischen beiden Mächten ein intimeres
Verhältnis, das seine spitze gegen Schweden richtete. Schwedens König
Gustav Adolf hatte den Stralsundern gegen Wallenstein geholfen; seitdem
blieb die Stadt im Bunde mit ihm, notgedrungen zum Schutze gegen ihren
eigenen Kaiser, und eine schwedische Besatzung stand in Stralsund. Jetzt
wollte der Kaiser die Insel Rügen an Dänemark geben, da er einsah,
daß er sie auf die Dauer gegen die Schweden nicht würde behaupten
können. Und so schien dem Könige Christian IV. , demselben, dem
Philipp Julius die Insel vor 5 Jahren hatte verkaufen wollen, jetzt das
Glück des Besitzes doch blühen zu wollen. Am pommerschen Hofe
waren die Unterhandlungen des Kaisers
Ferdinand II. , der sich nicht entblödete, zu eigenem Vorteil
eine Perle Deutschlands schnöde zu verschachern, schon fast zum Abschluß
gediehen, Rügen schien wieder dänisch werden zu sollen, da trat
ein anderer dazwischen, in dessen Interessen der ganze Handel nicht paßte,
Gustav Adolf. Er gab seinem Oberst Lesley, dem Kommandanten von Stralsund,
den Befehl, sich Rügens zu bemächtigen. Er selbst war zum Zuge
nach Deutschland noch nicht gerüstet. Lesley besetzte demgemäß
am 7. März 1630 Hiddensöe, setzte nach Rügen über und
erstürmte am 30. das schwach besetzte Altefähr. Hier ließ
er starke Verschanzungen anlegen und schlug einen Sturm der Kaiserlichen
unter Oberst Götz ab. Als dieser brave Oberst nunmehr sah, daß
er Rügen gegen die Schweden, die sich täglich verstärken
konnten, nicht mehr zu behaupten vermochte, gab er die Insel seinen Soldaten
zur Plünderung frei, um sie wenigstens ausgeraubt dem Feinde zu hinterlassen.
Da begannen nun am 27. April 1630 auf Rügen jene Greuelszenen einer
entfesselten Soldatenbande, wie sie schlimmer in ganz Deutschland in diesem
Kriege nicht vorgekommen sind. Das Letzte, was übrig geblieben war
aus der neulichen Drangsal, wurde jetzt geraubt oder zerschlagen. Das Elend
der Einwohner, und was sie ausstanden, kann keine Feder beschreiben, sagt
ein Chronist. Der ergrimmte Soldat hauste überall unbarmherzig, es
wurde weder jung noch alt verschont. Viele Einwohner wurden in ihren Häusern,
wenn sie die unersättliche Geldbegierde der Plünderer nicht stillen
konnten, wie die Hunde totgeschossen und samt der Wohnung verbrannt, die
Prediger wurden geschlagen, die Kirchen brach man auf, nahm Zierrat und
Kelche hinweg und durchsuchte selbst die Gräber nach Gold. Zu den
greulichsten Martern griff man, die brennenden Lunten hielten die Musketiere
den Leuten auf den Leib, versengten ihnen Hände und Füße,
"wreudelten" sie, um sie zur Aussage zu zwingen, wo sie ihr Geld hätten.
Alle Lüste und Laster walteten frei, das Jungfrauenkloster zu Bergen
erhielt eine böse Visite. Der Landvogt mußte, wie viele Adlige,
zusehen, wie seine Habe geplündert wurde. Die Gerichtsakten zerriß
man, der Vogt selbst wurde dann verhaftet mitgeschleppt. Ebenso erging
es den Berger Bürgermeistern, nachdem sie arg mißhandelt waren.
Endlich hatten, als Alles verwüstet, ausgeraubt, zerschlagen, verbrannt
war, die Greuel ein Ende, und Oberst Götz konnte sich bei seinem Fortgange
rühmen, er mache sich jetzt anheischig, die Hörner einer Kuh,
die auf Rügen bliebe, mit Gold zu überziehen. Das war der Schlußdank
der Kaiserlichen für die Aufnahme, die ihnen zu Anfang zuteil geworden,
für die Treue, mit welcher Rügen am Kaiser gehalten hatte trotz
aller Not, das der Abschied derer, die zum Schutze der Insel gekommen waren,
die sie in Wohlstand antrafen, in Jammer, Ruin, Verarmung auf lange Jahre
hinaus endlich verließen. Nur die Neuefähr oder Prosnitzer Schanze
behielten sie noch besetzt, bis sie Ende Juni auch hieraus verjagt wurden.
Rügen war jetzt ganz in schwedischen Händen, und der Befehl an
die Bewohner, aller Verbindungen mit den Kaiserlichen sich zu enthalten,
fand nach den letzten Vorkommnissen um so williger Gehorsam, als auch jetzt
eine Zeit der Sicherheit wieder zu beginnen schien. Während dieser
letzten Vorgänge war Gustav Adolf schon unterwegs nach Deutschland.
Am Abend des 24. Juni 1630 legte sich ein Teil der schwedischen Flotte
beim mönchguter Vorgebirge Nordpeerd in der Nähe Göhrens
vor Anker. Gustav Adolf kam an Land und betrat hier auf Rügen zuerst
deutschen Boden. Eine Anzahl rügenscher Adliger begrüßte
ihn hier. Als dann die übrige Flotte herannahte, ging der König
wieder zu Schiff, sammelte am 25. seine ganze Flotte beim Ruden und landete
am 26, unter Donner und Blitz seine Armee an der Küste Usedoms. Bald
entfernte sich der Krieg dann ganz von den Küsten Rügens, und
näherte er sich auch nach des heldenmütigen Königs Tod noch
einmal unsern Gegenden, so betrat doch kein "kaiserlicher Freund" wieder
Rügens Strand, da die Schweden die See beherrschten. Endlich konnte
man auf der Insel an die Heilung der tiefen Wunden gehen, welche die "Kaiser-Zeit",
wie sie noch lange auf Rügen hieß, geschlagen hatte. Von folgenschwerer
Bedeutung ist das Eingreifen Gustav Adolfs in den 30 jährigen Krieg
für Pommern und Rügen geworden. Der König hatte sich in
den faktischen Besitz des ganzen Landes gesetzt und schaltete darin ohne
Rücksicht auf den Herzog, wie im eignen. Nicht war er gesonnen, die
für die schwedische Seemacht so wichtige Küste wieder herauszugeben,
und als ein früher Tod ihn von dem Schauplatz der Geschichte abrief,
blieb Schweden bei dieser Politik, und der westfälische Friedensschluss
1648 übertrug Rügen an Vorpommern bis an die Oder als deutsches
Reichslehen an Schweden. Wenig Überwindung kostete dieser Verlust
des Reiches dem Kaiser, der ja leichtentschlossen Rügen an Dänemark
früher hatte abtreten wollen. Um so schmerzlicher aber war er für
eine andere jung aufstrebende Macht, die gerechte Ansprüche an Rügen
und Pommern hatte, für Brandenburg. Pommern und Brandenburg hatten
lange mit einander in Streit gelegen, endlich war 1529 zwischen Herzog
und Kurfürst ein Erbfolgevertrag geschlossen, kraft dessen bei jedesmaliger
Huldigung in Pommern der Kurfürst von Brandenburg die Eventual-Huldigung
mitempfing. Und als Bogislaw XIV. 1626 nach Philipp Julius Tode die Huldigung
für Pommern-Wolgast und Rügen empfangen hatte, war sie auch für
Brandenburg mit geschehen. Jetzt starb noch unter den Stürmen des
30 jährigen Krieges dieser letzte kinderlose Pommernherzog 1637, und
Kurbrandenburg war Pommerns und Rügens Erbe. Aber einmal hatte Schweden
das Land in Besitz und wollte es auf keinen Fall ganz wieder herausgeben,
andererseits sah der Kaiser schel auf einen solchen bedeutenden Machtzuwachs
eines protestantischen Staates hier im Norden. Daher konnte der Große
Kurfürst seine gerechten Ansprüche nicht zur Geltung bringen
und mußte sich mit Hinterpommern und einer anderweitigen Entschädigung
für Vorpommern und Rügen zufrieden geben. Rügen war und
blieb jetzt schwedisch mit Stralsund und Vorpommern, bis Stettin, und sollte
es für mehr als anderthalb Jahrhunderte bleiben. Länger als drei
Jahrhunderte, von 1325-1637 war es mit Pommern und dadurch mit dem deutschen
Reiche vereinigt gewesen, alle seine Interessen, seine Kultur und Sprache
wiesen auf diese Zugehörigkeit zu Deutschland hin, Brandenburg hatte
gerechte und wohlbegründete Ansprüche an die Insel: unnatürlich
war somit die Überweisung des durchaus deutschen Landes an eine fremde
Macht, ungerecht wegen der Verletzung alter Rechtsansprüche, und die
Keime für spätere unausbleibliche Verwicklungen, in welche die
Insel hineingezogen werden mußte, waren damit gelegt. Aber die Politik
der damaligen Zeit, die ja auch anderweitig deutsche Gebiete ohne Bedenken
an fremde Mächte überließ, wollte und konnte nicht anders
bestimmen. Schnell genug lebte sich Rügen in die neuen Verhältnisse
ein. Seine Nationalität wurde nicht angetastet, und unter dem fremden
Kleide bewahrte es sich ein deutsches Herz. Zudem war Schweden damals eine
Macht, die es schützen konnte, es that alles, um die Wunden der schweren
Kaiserzeit zu heilen, die Hauptstadt Bergen zum größten Teil
eingeäschert hatte. Auf den entvölkerten Höfen siedelten
siedelten sich abgedankte Soldaten an, so daß das Land wieder bebaut
werden konnte. Der schwedische Graf Gustav Wrangel erwarb 1642 das Gut
und Schloß Spyker auf Jasmund, nachdem der letzte Besitzer desselben,
aus dem Geschlecht derer von Jasmund, verunglückt war. Wrangel baute
das Schloß neu aus und soll zu dem Zwecke die Überreste des
alten jaromarischen Schlosses auf dem Rugard abgebrochen und auf dem Rugard
abgebrochen und die Bausteine daraus nach Spyker gebracht haben. Er verlebte
hier nach der für die Schweden unglücklichen Schlacht bei Fehrbellin,
wo er den Oberbefehl geführt hatte, seine letzten Tage. Die Sage weiß,
daß er hier im Schloß wegen der verlorenen Schlacht durch den
aus Stralsund herbeigeholten Strafrichter hingerichtet sei, und seit der
Zeit soll es in den mit altertümlichen Reliefs und Bildern geschmückten
Bäumen zuweilen nicht geheuer sein. Aber zu dem früheren Wohlstand
hat in der schwedischen Zeit die Insel sich nicht wieder emporschwingen
können, bald genug zu ihrem Schutze, und der Druck neuer Kriege legte
sich nicht lähmend auf alle Verhältnisse. Schon in den nordischen
Kriegen Karl Gustavs (gestorben 1660) wurde Rügen wieder heimgesucht.
1657 landeten die Dänen auf der Insel und verwüsteten sie teilweise.
Auch die schwedischen Truppen hausten arg, besonders die norwegischen Regimenter.
Es war so schlimm, daß Straßen und Wege unsicher waren, und
reisende Personen beraubt und geplündert wurden. Dazu kam 1661 große
Dürre und Mißwachs, das Getreide stieg so hoch im Preise, daß
viele Leute sich aus dem Lande fortbegaben. Unter solchen Verhältnissen
war es für Rügen von wenig Wert, daß im Friedensschluß
von Roeskilde 1658 und Kopenhagen 1660 Dänemark endlich auf seine
sämtlichen Ansprüche an weltlichem und geistlichem Gut auf Rügen
zu Gunsten Schwedens verzichtete. Neue Not traf das so schwer geprüfte
Eiland, nachdem Schweden sich durch Frankreichs König, Ludwig XIV.
, zum Kriege gegen den Großen Kurfürsten hatte bewegen lassen.
Truppensammlungen fanden statt, die Last der Einquartierung wurde auf Rügen
sehr stark, auf Straßen und Wegen herrschte Unordnung, bis die Schweden
in die Mark Brandenburg abrückten. Man atmete auf, als man die Soldaten
los war, aber nach der Schlacht bei Fehrbellin 1675 zog das Kriegsgewitter
drohend über die Insel herauf. Schon im Oktober des Jahres stand der
Große Kurfürst und der mit ihm verbündete dänische
König Christian V. vor Stralsund. Es unterblieb zwar noch jetzt die
Belagerung der Stadt, aber den ganzen Winter über besorgte der schwedische
General Königsmark einen Übergang der Brandenburger über
das Eis nach Rügen, und die Einwohner wurden in Masse aufgeboten,
um zu eisen. Den ganzen Winter hindurch mußten die Rüganer sich
damit abquälen, zudem war es so kalt, daß viele Personen dabei
erfroren. Im folgenden Jahre litt Rügen unter der Aufgabe, eine starke
Besatzung verpflegen zu müssen. Noch konnte Königsmark eine Landung
der Dänen verhüten, aber als 1677 die schwedische Flotte bei
Stevensklint von dem dänischen Admiral Nils Juel fast vernichtet war,
war er von aller Unterstützung aus Schweden abgeschnitten, weil die
Dänen die See beherrschten. Jetzt faßte Christian V. die Eroberung
Rügens ins Auge. Das Eiland war in diesem Kriege so recht wieder der
Spielball der Parteien. Der Große Kurfürst hatte dem König,
da er dessen Flotte beim Kriege gegen Schweden nicht entraten konnte, die
Insel als Siegespreis zusagen müssen. So war denn Rügen wieder
einmal die Aussicht eröffnet, dänisch zu werden; daß es
das nicht wurde, dankt es schließlich Ludwig XIV. von Frankreich.
Vorerst aber sah es anders aus. Am 7. September 1677 landete Christian
V. seine Truppen in der Prorer Wiek auf der schmalen Heide. Er fand keinen
Widerstand, weil Königsmark eine Landung jetzt garnicht vermutet und
seine Truppen deshalb zum größten Teil nach Stralsund gezogen
hatte. So konnten die Dänen sich denn an der Prora verschanzen und,
nachdem ihnen der Kurfürst das Reiterregiment des Oberst Hülsen
zu Hilfe geschickt hatte, gingen sie gegen Königsmark vor, der nach
Rügen hinübergekommen war und bei Bergen Stellung genommen hatte.
Die Schweden wurden geschlagen und zogen sich nach Altefähr und der
Prosnitzer Schanze zurück. Ersteres räumte Königsmark bald
darauf, führte alle Truppen nach Stralsund hinüber, und somit
war Rügen bis auf die Prosnitzer Schanze in den Händen der Dänen.
Christian V. behandelte die Insel schon ganz wie sein Eigentum, gleich
nach der Landung hatte er eine Proklamation an die Bewohner erlassen, worin
er ihnen seine Gnade und Befreiung von allen Kriegslasten versprach. Auch
wurde den Truppen jegliches Plündern verboten; aber trotzdem wurde
das Land, aus dem die Schweden das Letzte an Korn und Stroh mitgenommen
hatten, hart heimgesucht; und als der König nach dem Gefecht bei Bergen
sein Hauptquartier in dem Gehöft Guttin, südwestlich von Bergen
aufgeschlagen hatte, fanden sich dort noch sehr viele Leute ein, die um
Schutz gegen die Plündereien baten. Hörten diese nun auch stellenweise
auf, so war doch des Fouragierens kein Ende, und nach kurzer Zeit war die
Insel so ausgesogen, daß die Truppen nicht mehr verpflegt werden
konnten und infolge dessen durch Entbehrungen und Krankheiten außerordentlich
geschwächt wurden. Der König war schon am 11. Oktober nach Dänemark
zurückgekehrt, da der Kurfürst immer noch nicht gegen Stralsund
vorrücken und die dänischen Unternehmungen gleichzeitig in Pommern
begleiten konnte, weil er durch die Belagerung Stettins noch festgehalten
wurde. General Rumohr und Oberst Hülsen hatten das Oberkommando über
die dänisch-brandenburgischen Truppen übernommen und hatten die
Anweisung, bis zum Eintreffen von Verstärkungen sich auf keinen Kampf
mit den Schweden einzulassen. Aber die so notwendige Verstärkung der
durch Krankheiten geschwächten dänischen Armee blieb aus, und
so sah Königsmark den Augenblick gekommen, die Wiedereroberung der
Insel zu versuchen. Da die Neufährschanze noch in den Händen
der Schweden war, setzte er hier seine Truppen von Brandshagen und Niederhof
aus über und am 8. Januar 1678 nahmen die Verbündeten trotz des
gegenteiligen Befehls die Schlacht an. An der Landstraße zwischen
Poseritz und Gustow, in der Nähe des Gutes Warksow, begann morgens
9 Uhr der Kampf mit einer beiderseitigen Kanonade. Bald darauf ging Königsmark,
als er die Verbündeten durch den Fall des Oberkommandierenden Generals
Rumohr, und durch das Feuer der schwedischen Artillerie in Verwirrung kommen
sah, zum Angriff vor ihm kam auf seinem rechten Flügel die brandenburgische
Reiterei entgegen; im wuchtigen Anprall jagte sie die schwedische Kavallerie
auseinander, aber diese sammelte sich wieder, zog die Reserve herbei und
warf schließlich die von allen Seiten angegriffenen Brandenburger
zurück. Diese sammelten sich noch einmal, aber da die Dänen ihnen
keine wirksame Hilfe brachten, wurden sie von der Übermacht wieder
geworfen, und als jetzt die Schweden die Dänen in der Flanke und im
Rücken faßten, jagte alles in wilder Flucht auseinander. Die
Infanterie wurde fast ganz gefangen genommen. Nach vierstündigem Kampfe
war der Sieg erfochten. Am folgenden Tage besetzte Königsmark Bergen,
verfolgte die nach Jasmund und Wittow geflüchteten Feinde und nahm
dort die letzten Reste der Verbündeten gefangen. Die Gemeinen wurden
unter das schwedische Militär gesteckt, und das sollte später
recht üble Folgen haben. Rügen war in diesem wechselvollen Kriege
wieder einmal schwedisch. Doch die verbündeten Dänen und Brandenburger
rafften sich wieder auf. Im Laufe des Sommers wurden in Rügen von
den Dänen mehrere Einfälle gemacht, wobei die Hauptsache Plündern
und Zerstören war. Endlich war die große Expedition zur Wiedereinnahme
Rügens fertig. Dänemark sandte 27 große Kriegsschiffe,
der Kurfürst hatte 11 Fregatten unter dem Kommando des Admirals van
der Tromp bereit, und in über 300 größeren und kleineren
Fahrzeugen wurden die brandenburgischen Truppen herantransportiert. Zum
ersten Male warf der Hohenzollernsche Zar seinen "flammenden Blick"
über die Wogen der Ostsee. Bei der Stubber Bank im Greifswalder Bodden
sammelte sich diese große Flotte, und während die Dänen
im Norden Rügens landen sollten, wollte der Kurfürst gleichzeitig
im Süden den Angriff beginnen; so konnte man am besten die schwedischen
Truppen trennen. Diese waren so wie so durch die ganze Insel verzettelt,
eben wegen der befürchteten Landung. Am 12, September lichtete der
Große Kurfürst die Anker. Der Plan war, um den Feind über
den Ort der Landung zu täuschen, in der Richtung von Osten nach Westen
auf Palmer Ort zuzusteuern, dort den Kurs in nordöstlicher Richtung
zu ändern, in die Putbusser Bucht hinein und hier an Land zu gehen.
Aber man hatte die Rechnung bei diesem, bei einer Flotte von Dampfschiffen
wohl angebrachten Manöver ohne den Wirt gemacht. Mit günstigem
Südost langte die Flotte bald auf der Höhe von Palmer Ort an.
Jetzt aber sprang der Wind in Nordost um, und das Manöver des Wendens
war vorbei. Es war ein kritischer Augenblick. Königsmark hatte auf
dem Zudar Geschütze postiert, die jetzt ihr Feuer auf die Flotte,
die immer näher trieb, eröffneten. Viel Schaden richtete dies
zwar nicht an, aber doch hätte es bald einen unersetzlichen Verlust
verursacht: Eine Kugel schlug dicht neben dem Kurfürsten ein. Der
Wind wollte nicht wieder umspringen und hätten die Schweden besser
geschossen, so hätte es den kurfürstlichen Schiffen hier gehen
können wie später am 5. April 1894 den Dänen in der Eckernförder
Bucht. Mit Mühe und Not brachte man endlich die Schiffe außer
Schußweite und legte sich vor Anker, um bessern Wind abzuwarten.
Glücklicher waren am selben Tage die Dänen im Norden. In der
Nähe Arkonas, bei dem Fischerdorf Vitte, da, wo das sonst hohe und
steile Ufer einen tiefen Einschnitt hat, setzte der dänische Admiral
Nils Juel die Truppen an Land. Die kleine schwedische Schar, die hier auf
Wittow postiert war, suchte vergebens die Landung zu hindern, sie wurde
über die Schaabe zurückgedrängt, und die Dänen verschanzten
sich am Eingange derselben, an jener historischen Stelle, deren Wichtigkeit
schon die Könige Erich und Waldemar bei der Belagerung Arkonas erkannt
hatten. Sobald Königsmark von der Landung der Dänen erfuhr, befahl
er seinen sämtlichen Truppen auf der Insel den schleunigen Rückzug
nach Altefähr, da er die Unmöglichkeit einsah, bei seinen schwachen
Streitkräften den Verbündeten die Eroberung Rügens noch
ferner streitig machen zu können. Doch beobachtete er den Kurfürsten
noch fortwährend. Dieser war bei der Nachricht von den dänischen
Erfolgen höchst ungeduldig geworden; jetzt befahl er, am ersten besten
Punkte zu landen, da er fürchtete, daß die Schweden mit allen
Kräften sich auf die Dänen werfen würden. Beim Dorfe Neuenkamp,
da wo jetzt das Standbild des großen Kurfürsten auf hoher Granitfäule
der Nachwelt aus jenen Siegestagen Kunde giebt, gingen die brandenburgischen
Truppen am 13. September 1678 an Land. Zwar hatten die Schweden auch hier
eine Schanze aufgeworfen und mit Geschütz und Kavallerie besetzt,
aber dem Ungestüm der Kampfbegierden, die, noch nicht am Lande, aus
den Böten ins Wasser sprangen und ans Ufer stürmten, vermochten
sie nicht zu widerstehen. In zwei Stunden war die ganze Truppenmacht, Infanterie,
Kavallerie und Artillerie ohne Unfall und Störung ans Ufer gebracht.
Auch Friedrich Wilhelm, sowie der Kurprinz und Derfflinger gingen sofort
an Land. Königsmark war vom Zudar herbeigeeilt. Als er aber die Brandenburger
in Schlachtordnung aufgestellt sah, trat er eiligst seinen Rückzug
nach Altefähr an, auf welchem Derfflinger ihm heiß zusetzte.
Friedrich Wilhelm blieb die Nacht über in Neuenkamp. Zwar hatte er
alle Plünderung streng verboten, aber im ersten Ungestüm ging
es in den nächsten Ortschaften doch bunt her und besonders auf das
Vieh war es abgesehen. Der Pastor von Casnevitz und sein Küster, denen
ihre Kühe fortgenommen waren, faßten sich ein Herz und gingen
direkt zum Kurfürsten, um ihn um Wiedererstattung ihrer Habe zu bitten.
Der nahm sie freundlich auf, behielt den Pastor und dessen Frau zur Tafel
da und gab ihm für jede der acht verlorenen Kühe zehn Thaler;
das war in damaliger Zeit ein sehr guter Preis. Dem Küster aber, den
er scherzweise "Halbehrwürden" nannte, gab er für seine Kuh vier
Dukaten und ließ auch ihm etwas zu essen reichen. So hatte der Große
Kurfürst hier in Neuenkamp Gelegenheit, nicht blos seine strategische
Meisterschaft zu zeigen, sondern auch die noch höhere Tugend der Menschlichkeit
zu bethätigen, die mit Freuden bestrebt ist, die notwendig geschlagenen
Wunden auch wieder zu heilen. Welch Gegensatz zu Wallenstein und dem Oberst
Götz! Um folgenden Morgen, dem
14. September, ging der ratlose Derfflinger an die Verfolgung des Feindes.
Dieser hatte sich nach Altefähr retiriert, und hier innerhalb der
Schanzen des Dorfes herrschte ein böses Wirrwarr, da alles nach Stralsund
hinüberwollte. Derfflinger erfuhr von diesem Zustande, jagte nach
Altefähr, und mit dem Degen in der Faust stürzte er den Seinen
voran in die Schanzen, an deren Verteidigung man in der Angst sich zu retten
gar nicht dachte. Königsmark selbst rettete sich mit Mühe auf
ein Schiff. Viele Boote, mit Flüchtlingen überfüllt, sanken,
Hunderte von Schweden fielen in die Gefangenschaft. Noch leichter eroberten
die Brandenburger die wichtige Neufährschanze. Die Besatzung derselben,
zum größten Teil aus den im Januar gefangenen Dänen und
Brandenburgern bestehend, revoltierte gegen ihre schwedischen Offiziere
und spielte ihren alten Waffenbrüdern die Schanze in die Hände.
Bald wurde auch der Dänholm besetzt, und damit war Stralsunds Geschick,
das der Kurfürst jetzt zu belagern begann, besiegelt. Er eroberte
die Stadt, die Königsmark trotz aller Unmöglichkeit, sie halten
zu können, in seinem Starrsinn freiwillig nicht herausgeben wollte,
nach einem schrecklichen Bombardement, wobei die Hälfte der so schwer
geprüften Stadt in Flammen aufging, am 12. Oktober 1678. Kurz nachher
räumte der Kurfürst die Neufährschanze, die er noch bis
dahin besetzt hielt, seinen Verbündeten ein, und damit war Rügen
ganz in den Händen der Dänen, die sie ja behalten sollten. Schwer
hatte die Insel in diesen Kriegstrümmern gelitten, sie war so von
allem Wohlstand entblößt, so daß sie nicht imstande war,
die dänischen Truppen zu versorgen, und diese von ihrer Heimat verpflegt
werden mußten. Und was war das Ergebnis all dieser wechselreichen,
hin- und herwogenden Entscheidungen? Schmählich verlassen von Kaiser
und Reich, mußte der Kurfürst im Frieden zu St. Germain 1679
auf Ludwigs XIV. Gebot alle Eroberungen an Schweden von den Dänen
wieder zurückgegeben. Wenn es schon einer fremden Macht überantwortet
sein sollte, so war es das Beste, daß es bei den Schweden blieb,
denen es nun schon seit mehreren Jahrzehnten gehörte. Auch unter dänischen
Regiment wäre die Insel wohl nicht von den Stürmen verschont
geblieben, die ihr in den folgenden Zeiten bei den Verwicklungen der nordischen
Reiche bevorstanden. Wirklich gab die schwedische Regierung sich jetzt
alle Mühe, endlich die so vielfach zerrütteten Verhältnisse
Rügens in Ordnung zu bringen. Zunächst ward ein allgemeines Dankfest
wegen des Friedens veranstaltet. Dann wurden die geistlichen und weltlichen
Verwaltungen, bei denen in den Kriegszeiten manche Unordnung eingerissen
waren, neu geordnet. Leuten, die sich auf Rügen neu anbauten, verlieh
man Pivilegien und Freiheiten von Abgaben auf mehrere Jahre. Eine neue
Gesinde-, Bauer- und Schäfer-Ordnung kam heraus "um dem Übermut
des Gesindes und denen willkürlichen Steigerungen ihres Lohnes zu
wehren"; und neben anderen Verfügungen erließ man auch ein Duell-Plakat,
um "sotaner Privatrache Einhalt zu thun", die bei Adel und Offiziere Mode
geworden war, indem sie "bei vorkommender Mißhelligkeit sich raufften
und duellierten". Ein anderes Edikt versuchte die Übelstände
der vielen gangbaren Münzsorten zu beseitigen, und zum erstenmal wurde
Papiergeld eingeführt am 1. September 1690. Zur Hebung und Ordnung
des Verkehrs wurde eine"neue Wasser-Post" nach Schweden angelegt 1658.
Vom Bug auf Wittow, wahrscheinlich von da, wo heute das Wittower Posthaus
steht, ging zum erstenmal regelmäßig einmal in der Woche eine
Yacht mit Passagieren, Briefen und Packeten nach Ystadt. Die Aussicht unterstand
dem "Postilion", der die ankommenden Pakete alle Woche nach Stralsund an
den Königlichen Postdirektor überbrachte. Schwedische Feldmesser
wurden 1692 hinübergeschickt, um auf königliche Kosten die "Agrimensur"
vorzunehmen und eine offizielle Landkarte anzufertigen.Von der infolge
der vielen Kriege und Entvölkerung so vieler Stellen eingetretenen
Verwilderung des Landes gaben sie jetzt veranstalteten Wolfsjagden ein
deutliches Zeugnis. Wie sehr muß es mit der Kultur auf der Insel
zurückgegangen sein! Kantzow berichtete zur Zeit der Reformation,
daß damals "kein wolf oder ratz" auf Rügen anzutreffen gewesen
sei; und wären auch mal die "wülffe" über Eis hineingekommen,
so hielten sie sich nicht, eben weil alles kultiviert war. Jetzt waren
sie zur Landplage geworden. Der Oberjägermeister Borck mußte
endlich seit 1695 offizielle Wolfsjagden anstellen. Jede Hausstelle auf
dem Lande mußte einen Mann zum Treiben liefern. Einige Wölfe
fing und erlegte man zwar, zur gänzlichen Vertilgung derselben aber
mußte schließlich jede Hufe ein bestimmtes Geld zahlen, damit
regelmäßige Treibjagden veranstaltet werden konnten. Zu solchen
allgemeinen Landplagen kamen dann ab und an wieder Sturmfluten, welche
die Küsten schwer heimsuchten und sie begonnene Kultur zeitweise zerstörten,
so im Herbst 1692, wobei Häuser und Vieh fortgeschwemmt wurden, und
am 8. November 1703, wo ein furchtbarer Orkan Häuser umwarf, in Gingst
und Samtens die Kirchtürme herabstürzte, den Berger zum Wackeln
brachte und vom Trenter Turm Hahn und Knauf herniederwarf. Unter Karl XII.
wurde Rügen in die Wirren des nordischen Krieges mithineingezogen.
Blieb es zwar anfangs von einem feindlichen Einfall verschont, weil Karl
die Dänen schnell niederwarf, so wurde doch auf der Insel stark für
das dänische Heer geworben, und das nicht immer auf rechtlicher Weise.
Vielfach wurden Handwerker und Bauern aufgerissen und unter die Truppen
gesteckt, die von Stralsund aus dem Könige nachgeschickt wurden. Viele
Adlige dagegen dienten freiwillig im schwedischen Heere, und mancher rüganische
Edelmann fand in Polen und Rußland den Heldentod. Alle Siege Karls
wurden auf Rügen in einem allgemeinen Dankfeste mitgefeiert, und in
den gefangenen Sachsen und Russen, damals "Moskowiter" genannt, die vielfach
nach Rügen gebracht wurden, konnte man die Erfolge der schwedischen
Waffen sehen. Aber die Kriegskontributionen und fortwährenden Werbungen
drückten das Land schwer, und als Karl XII. nach der Niederlage von
Pultava 1709 in die Türkei geflohen war, und Dänemark den Kampf
wieder begann, mußte man sich auf Rügen auf Schlimmes gefaßt
machen. Kerl kehrte unerwartet 1714 nach Stralsund zurück. Mit König
Friedrich Wilhelm I., der Stettin inzwischen besetzt gehalten hatte, wollte
er sich über die Ansprüche desselben nicht einigen, und so schloß
auch das junge preußische Königreich sich den Feinden Schwedens
an. Friedrich Wilhelm I. begann in Gemeinschaft mit den Dänen und
Polen 1715 die Belagerung Stralsunds, während die dänische Flotte
um Rügen kreuzte. Hier wurde fortwährend eine dänische Landung
befürchtet, und deshalb hielt sich der König Karl dort auf, um
diese zu hindern. Seine Streikräfte waren jedoch bei weitem nicht
stark genug im Verhältnis zu den Verbündeten. Er beorderte Zuschub
von Schweden. eine schwedische Flotte nahte mit Truppen, aber die Dänen
trafen sie in der Tromper Wiek und schlugen sie am 8. August 1715 nach
Bornholm zurück. Diese Seeschlacht soll der König Karl XII. von
Stubbenkammer aus beobachtet haben, und seitdem jener höchste Punkt
des Kreidefelsens den Namen Königsstuhl führen. Inzwischen ging
die Belagerung Stralsunds weiter. Solange die Stadt jedoch aus Rügen
Zufuhr bekam, konnte die Belagerung keinen Erfolg haben, und daher beschlossen
die Verbündeten, erst die Insel Rügen zu nehmen. Dänische
und preußische Truppen wurden an der Mündung des Ryckflusses
eingeschifft und unter Begleitung der dänischen Flotte fuhr man nach
Rügen hinüber. Nebel und Regen verbargen dem wachsamen Karl die
Richtung der Schiffe und so konnte die Flotte am 15. November in der Bucht
von Strelow vor Anker gehen, und ungehindert die Mannschaft an Land gesetzt
werden. Friedrich Wilhelm I. und der König von Dänemark sowie
der Fürst Leopold von Anhalt-Dessau befanden sich an Bord. Sogleich
verschanzten sich die Verbündeten. Diese Vorsicht war sehr geboten,
denn kaum hörte Karl, der sich auf dem Zudar aufhielt und hier die
Feinde erwartet hatte, von der erfolgten Landung, als er noch in der Nacht
mit seinen in der Eile zusammengerafften Truppen aufbrach und sogleich
zum Angriff vorging. Mit eigner Hand riß er als erster die spanischen
Reiter, die vor den Schanzen aufgestellt waren, hinweg, aber alle Tapferkeit
war gegen die sehr überlegene Anzahl vergebens. Die Schweden wurden
mit großem Verlust zurückgeschlagen. Karl selbst erlitt eine
Verwundung. In der Nähe des Landungs- und des Kampfplatzes steht heute
auf hohem Ufer das Standbild des ersten preußischen Königs,
der siegreich seinen Fuß auf das seinem Hause so lange vorenthaltene
Erbe gesetzt hat.. Am folgenden Tage wurden auch die Schanzen von Altefähr
erstürmt; jetzt war der Fall Stralsunds nur noch eine Frage der Zeit.
Karl XII. entschloß sich endlich zur Rückkehr nach Schweden.
Mit Müh und Not eifte man in der Nacht vom 21. zum 22. Dezember sein
Schiff von Stralsund nach Hiddensöe durch, und von hier gelangte der
König auf ein schwedisches Kriegsschiff. Stralsund ergab sich am folgenden
Tage den Siegern. Aber der halsstarige Karl war nicht zum Frieden zu bewegen,
trotzdem die Verbündeten seine Länder thatsächlich besetzt
hatten. Erst nach seinem Tode 1718 kam dieser mit seiner Schwester Ulrike
Eleonore zustande. Rügen war inzwischen von 1715 bis 1720 in dänischem
Besitz. - Friedrich IV. von Dänemark behandelte es als sein Eigentum
und hoffte es auch zu behalten. Er schenkte dem Berger Kloster 500
Thaler und half auch sonst dem durch die Kriegslasten schwer mitgenommenen
Lande, war doch 1715 Bergen wieder durch eine Feuersbrunst heimgesucht,
wobei gegen 30 Häuser eingeäschert wurden, und hatte doch kurz
vorher 1712 eine Pest auf der Insel gewütet, an welcher im Lankener
Kirchspiel allein in drei Monaten 118 Personen gestorben waren. Aber im
Friedensschluß 1720 trat Dänemark die Insel wieder an Schweden
ab gegen anderweitige Entschädigung. Preußen sah zwar seine
gerechten Ansprüche an ganz Pommern und Rügen immer noch nicht
befriedigt, erlangte aber doch wenigstens Vorpommern bis zur Peene. Fast
hundert Jahre blieb die Insel nunmehr in ungestörtem schwedischen
Besitz. In diese Zeit fällt die Eröffnung des ersten Bades auf
Rügen. Es war kein Seebad im Stile der Jetztzeit. Die Vorzüglichkeit
des rügenschen Strandes zu diesem Zweck ahnte man noch nicht, war
es doch damals überhaupt noch nicht recht gebräuchlich, in der
frischen und reinen Luft des Strandes und
in den kühlen Wogen des Meeres Erholung zu suchen. Die derzeitigen
Bäder waren fast ausschließlich an Heilquellen eingerichtet.
Auch Rügen besaß eine solche vermeintliche Wundergabe. Sagard
konnte sich deren rühmen. Das Wasser des Baches, der den Ort durchfließt,
enthielt Eisen und Kalk, damit war die Heilkraft des Wässerchens konstatiert.
Und so faßte der Pastor in Sagard 1794 den kühnen Entschluß,
hier am Lebenshorn von Sagard ein Bad zu errichten. Es war diese Idee nicht
neu. Schon in der Mitte des Jahrhunderts besuchten Hülfsbedürftige
den "Gesundbrunnen", jetzt wurde die Sache im großen Stile betrieben.
Des Pastors Bruder war Arzt; er nahm die Sache in die Hand und verfaßte
einen Prospekt, in welchem das Lob des Bächleins in allen Tonarten
gesungen wurde. Da heißt es: "Der kleine Bach ergötzt hier durch
seine hohen Ufer (!), dort durch kleine Wasserfälle und an anderen
Stellen durch sein sanftes Rieseln zwischen den geschlängelten Einschnitten
der Wiesen. Ungemein anmutig sind die Spaziergänge längs der
Brunnenaue. An Ergötzlichkeiten anderer Art, als da ist Karussel (!),
Kegelbahn, Spieltische, Schaukel, Wippen, Scheiben, Musik und Tanz fehlt
es auch nicht". Man sieht, was ein Bad der leibenden Menschheit damals
alles an "Ergötzlichkeiten" bieten mußte, und jedenfalls müssen
die Nerven noch recht stählern gewesen sein und der Ruhe nicht bedurft
haben. Außer diesen "Ergötzlichkeiten" fehlt es nun natürlich
an der Hauptsache nicht. Ein "hohes turmartiges Gebäude" war errichtet,
das bildete den Kernpunkt des Ganzen. Hierin befand sich ein "Versammlungssaal"
mit "der nöthigen Küche" und last not least - "zwei bequem eingerichtete
Steinbäder", d. h. man badete und wühlte hier nicht etwa in Steinen
herum, sondern es waren gemauerte Vertiefungen, in deren kühle, heilkräftige
Fluten man sich hineinsetzte. Wer da nicht gesund und gestärkt wurde,
dem war schlechterdings nicht zu helfen! Das Originellste aber an dem ganzen
Bade war, daß "die Bestimmung der meisten Preise den Beratschlagungen
der Brunnengäste überlassen" war. Und die knauserten allerdings
nicht, denn man zahlte für eine möblierte Stube den für
damalige Verhältnisse recht anständigen Preis von 11/2
bis 2 Thalern und an die Badekasse für 4 Wochen sogar einen Dukaten.
Aber trotz aller "Ergötzlichkeiten" und "Steinbäder" wollte das
Bad nicht recht in Flor kommen, im Anfang dieses Jahrhunderts wurde es
kaum noch besucht; doch zeugt auch von dem "hohen thurmartigen Gebäude"
jetzt nichts mehr, so bleibt der Ruhm jedenfalls bei Sagard, der älteste
Badeort auf Rügen zu sein, wenngleich die spätere Errichtung
von Seebädern diese erste, allerdings ganz anders geartete Anlage
völlig in Vergessenheit gebracht hat. Bis dahin jedoch, bis das heitere,
fröhliche Treiben des Badelebens an Rügens reizenden Küsten
begann, kamen über die Insel nochmals recht trübe, schwere Zeiten,
die dann endlich zu einer Klärung und definitiven Entscheidung über
Rügens politische Verhältnisse führen sollten. Schwedens
König Gustav IV. gehörte zu den grimmigsten Feinden Napoleons
I., er schloß sich zunächst England und Rußland an gegen
den "Herrn Bonaparte", wie er immer zu sagen beliebte, und dadurch wurde
auch schwedisch Vorpommern und Rügen in die Kriege mit den Franzosen
hineingezogen. Als Preußen nach der Niederlage bei Jena den Kampf
noch fortsetzte, verbündete Gustav IV. sich mit ihm. Blücher
sollte mit einem Korps auf Rügen landen. und von Pommern aus dann
ein Vorstoß gegen die Franzosen gemacht werden. Blücher kam
zwar nach Stralsund, auch eine englisch-deutsche Legion landete auf Mönchgut
beim Norperd, aber der Tilsiter Friede machte dem beabsichtigten kombinierten
Vorgehen ein Ende. Trotzdem blieb Gustav IV. nun allein in Kampf gegen
Napoleon, der jetzt Stralsund belagern ließ, wo Gustav sich aufhielt,
Bald sah der Schwedenkönig die Unhaltbarkeit der Festung ein, er überließ
sie den Franzosen und ging nach Rügen hinüber mit seinen Truppen,
welche die Insel gehörig mitnahmen. Bald genug beschlossen die Franzosen
die Einnahme der Insel, da knüpfte der König, der krank in Bergen
lag, Verhandlungen mit ihnen an, weil der nahende Winter die Rückkehr
nach Schweden sonst hätte unmöglich machen können. Das Ergebnis
war, daß Rügen den Franzosen übergeben wurde. Die Schweden
verließen die Insel, Karl Schiffte sich am 9. September 1807 am Nordperd
ein, an derselben Stelle, wo vor 177 Jahren der große Schwedenkönig
die Insel betreten hatte. Von jetzt an teilte Rügen das Schicksal
Stralsunds und Vorpommerns zur Franzosenzeit. Erdrückend ward die
Last der französischen Einquartierung. Da die Franzosen eine englische
Landung befürchteten, lag so viel Militär auf Rügen, daß
es in Privataquartier nicht mehr untergebracht werden konnte, sondern die
Kirchen ihm eingeräumt werden mußten in Bergen, Zingst, Garz,
Sagard, Altefähr, Rambin und Lanken. Hauptsächlich waren hier
Lazarette eingerichtet, denn die Truppen litten unter der ungewohnten Rauheit
des Klimas außerordentlich, und Seuchen waren die unausbleibliche
Folge nicht blos beim Militär, sondern auch bei der Bevölkerung.
Noch jetzt zeugt der sogenannte Franzosenkirchhof bei Bergen von diesem
Zustsande des französischen Heeres. Überall an den Küsten
waren Wachposten aufgestellt. Auf Stubbenkammer hatte die französische
Küstenwache sich eine Bretterbude erbaut und die hohen, alten Buchen,
die bisher bis an den Rand des Königsstuhls standen, zu dem Zwecke
gefällt, überhaupt gehörig unter den prächtigen Baumriesen
hier aufgeräumt. Wie viel aber die Insel für die fremden Herren
aufzubringen hatte, erhellt schon aus der Angabe des Tafelgeldes, das dem
kommandierenden General allein in Höhe von 4000 Franks monatlich ausbezahlt
werden mußte. Rechnet man dazu die Verpflegung der Truppen, so ist
leicht ersichtlich, daß der Wohlstand Rügens total ruiniert
wurde. Und die Soldaten begnügten sich nicht immer mit dem vorschriftsmäßig
Gelieferten, sondern nahmen je nach Belieben noch dazu. Endlich, als die
Not aufs Höchste gestiegen war, kam Erleichterung. König Gustav
wurde 1809 entthront; man konnte jetzt auf baldigen Frieden hoffen, und
zudem nahm Napoleon nunmehr seine Truppen hinweg, weil er sie in Spanien
gebrauchte. Aber in den Freudenbecher fiel noch einmal ein Tropfen Wermut.
Schill hatte mit stürmender Hand Stralsund genommen. Er zwang Rügen,
ihm einige Hundert Mann zur Verstärkung seiner Truppen zu stellen,
und ließ den Landvogt von Bohlen zu Bergen, der sich dieser Maßregel,
sowie der Kontribution im Interesse der Insel mutig widersetzte, nach Stralsund
gefangen fortführen. Bald erlosch Schills Stern. In der Fährstraße
in Stralsund fand er am 31. Mai 1809 den Tod, seine Truppe wurde in wütendem
Straßenkampf vernichtet, manche Versprengte retteten sich nach Rügen
hinüber. Die Holländer, die Schergen Napoleons gegen Schill,
gingen nach der Insel hinüber, besetzten Bergen und nahmen die Trümmer
der mutigen Schar gefangen, von der nur wenigen es gelang, von Mönchgut
aus auf Schiffe sich zu retten. Es war der letzte kriegerische Akt auf
Rügen. Endlich kam die Stunde der Erlösung. Am 6. Januar 1810
schloß Karl XIII. von Schweden mit Napoleon in Paris Frieden, vermöge
dessen Rügen und Vorpommern nochmals zur schwedischen Herrschaft zurückkehrte.
Hiermit endete die Kette der Kriegsdrangsale für Rügen. Sein
ferneres Schicksal gestaltete sich ohne Blutvergießen und Bedrückung. |